Deutschland
Deutschland; Trotz des großen, jahrhundertealten und wohlbegründeten Rufs seiner Weine kann man Deutschland kaum als ein typisches weinerzeugendes und weinverbrauchendes Land bezeichnen, da der Rebanbau heute, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ganz auf den Südwesten der Bundesrepublik, auf das Tal des Rheins und seiner wichtigsten Nebenflüsse begrenzt ist. Hier sind insgesamt 105 770 ha mit Reben bestockt, was gerade 11 % der französischen Rebfläche entspricht, und da der Weinkonsum außerhalb der Anbaugebiete durchweg erheblich geringer ist als innerhalb der Erzeugergebiete, trinkt der statistische Durchschnittsdeutsche mit 23 – 24 l pro Kopf im Jahr nur etwa halb soviel Wein wie der Durchschnittsschweizer.
Zu den deutschen Weinanbaugebieten (Porträts)
Angesichts einer Durchschnittsernte von rund 10 Mio. hl, von denen zwischen 15 und 20 % exportiert werden, entfällt kaum die Hälfte des normalen Verbrauchs auf heimische Weine, so dass die Bundesrepublik zugleich der größte Weinimporteur der Welt ist. Eine weitere Zunahme des Pro-Kopf-Verbrauchs, wie er in den letzten Jahrzehnten in den Nachbarländern Dänemark, Luxemburg, der Schweiz und Österreich zu verzeichnen war, ließe sich daher ausschließlich über eine Steigerung des Imports erreichen, woran die deutsche Weinwirtschaft begreiflicherweise wenig Interesse hat, da sie aus klimatischen Gründen die Erzeugung zur Deckung des Inlandsbedarfs und zur Steigerung des Pro-Kopf-Verbrauchs nicht ausdehnen kann.
Dennoch verkauft sich deutscher Wein nicht von selbst. Die Gründe dafür liegen nicht nur an der in jedem Land anzutreffenden erheblichen Diskrepanz zwischen mittelmäßigen und gewöhnlichen Weinen einerseits und Spitzenerzeugnissen andererseits, die ohne jede Frage in nennenswertem Maße vorhanden sind und auf ihre Weise zu den besten der Welt gehören. Doch, und dazu hat das Weingesetz von 1971 erheblich beigetragen – ohne dass das neue Weingesetz von 1994 daran entscheidendes geändert hat -, hat man Qualität zu lange und zu ausschließlich als rein technisches Kriterium der formalen Fehlerfreiheit definiert, ohne wirkliche Anreize zur Steigerung des Niveaus zu geben, so dass die Erzeuger, losgelöst von jeder Form traditioneller Weinkultur, ihre Weine mehr und mehr an dem Gelegenheitsweintrinker orientierten, der keine innere Bindung an den Wein hat und dem es angesichts einer verwirrend komplizierten Nomenklatur unmöglich war und ist, eine verstärkte Identifizierung mit einem bestimmten Wein zu entwickeln.
Viele Fehler der Vergangenheit sind inzwischen erkannt und manche Erkenntnisse daraus umgesetzt worden. Als Ergebnis ist im Laufe der zurückliegenden Jahre eine erfreuliche und insgesamt höchst positive Bewegung in den deutschen Weinbau und die deutschen Weine gekommen, wozu eine neue Generation von Weinerzeugern mit neuen Ideen erheblich beigetragen hat. So scheint jene unselige Entwicklung der künstlichen Süßung der Weine mittels Süßreserve, einer beschönigenden Bezeichnung für unvergorenen Traubensaft, endlich gebrochen, und die Zahl der Spitzenerzeuger, die ausschließlich durchgegorene, trockene Weine erzeugen, nimmt stündig zu. Manche haben noch die schamhafte Zwischenstufe der sog. halbtrockenen Weine eingeschaltet, eine Variante, die an Augenwischerei grenzt und angesichts ihres rein hypothetischen Charakters – denn entweder ist ein Wein trocken oder er ist es nicht – manche an so etwas wie ,halbschwanger“ erinnert. Mehr und mehr Erzeuger haben die Bezeichnung vereinfacht und füllen nicht mehr jeden Wein unter einer möglichst
blumigen Lagenbezeichnung, sondern nur noch mit den Namen der Rebsorte und des Erzeugers versehen ab. Andere wiederum gehen neue Wege bei Vergärung und Ausbau, setzen wieder wie früher Holzfässer statt ausdruckslose Stahltanks zumindest bei den höheren Qualitäten ein. Einige sind in den letzten Jahren noch weiter gegangen und haben begonnen, mit einem Weinausbau in Barriques zu experimentieren und dabei zum Teil höchst bemerkenswerte Ergebnisse erreicht, die beweisen, dass es sich hierbei genausowenig um eine Verfremdung handelt wie bei den Sünden anderer Länder, etwa Italiens, Weißweine nahezu nur noch in Stahltanks auszubauen. Allein die Qualität des Ergebnisses ist es beim Wein, die wirklich zählt.
Zusätzlich hat die Einsicht, dass die Erträge um der höheren Qualität willen deutlich reduziert werden müssen, bei einer wachsenden Zahl von Erzeugern um sich gegriffen, bei denen heute vielfach 60 – 80 hl/ha, z. T. sogar 50 hl/ha und weniger als Obergrenze gelten. Und dass hochwertige Weine und Weinkultur etwas mit Lagerung, Reife und Alter und nicht mit Primeur-Konsum zu tun hat – etwas, woran jeder Weinliebhaber bezogen etwa auf Bordeaux-Weine nicht den geringsten Zweifel hat -, greift erfreulicherweise auch im Bereich trockener deutscher Weine allmählich um sich.
Die Folgen sind weitreichend. Nicht mehr ist jeder hervorragende und bemerkenswerte deutsche Wein grundsätzlich ein Weißwein. Gerade bei der Rotweinerzeugung gibt es qualitativ beachtliche Steigerungen, wenn auch der Aufstieg weiterhin hart und steinig bleiben dürfte und die Mehrzahl noch weit vom Ziel entfernt ist. Doch – und dies ist die eigentliche Sensation, an die noch vor wenigen Jahren niemand zu denken wagte – es gibt bereits die ersten, die einen Rotwein von internationalem Format zu erzeugen vermögen. Insgesamt schenkt man dem Rotwein heute mehr Beachtung, und die Ausdehnung der Rebfläche in den letzten Jahren ist praktisch ausschließlich den roten Sorten zugute gekommen, deren Flächenanteil sich innerhalb der letzten fünfzehn Jahre von 11,3 auf 18,5 % erhöht hat. Zugleich hat damit der Spätburgunder auf Kosten des einst favorisierten, doch deutlich geringeren Portugiesers auch quantitativ eine führende Stellung eingenommen.
Insgesamt wird Deutschland zweifellos ein Weißweinland bleiben, doch auch hier ist zumindest bei den Spitzenbetrieben ein \Wandel und die Korrektur früherer Fehlentwicklungen erkennbar. Gab es einmal eine Zeit, in der es als Ausweis eigener Modernität galt, mehr und mehr Parzellen mit entweder ausdruckslosen oder qualitativ unbedeutenden Neuzüchtungen zu bepflanzen, so ist diese Euphorie inzwischen glücklicherweise verflogen, und eine wachsende Zahl verzichtet inzwischen nicht nur ganz auf sie, sondern konzentriert darüber hinaus die Erzeugung ganz auf die bewährten und gebietstypischen Qualitätssorten. Sieht man einmal von dem in den wichtigsten Gebieten nach wie vor ungebrochenen, wenn auch verlangsamten Rückgang des Silvaners und Korrekturen beim Grauen Burgunder ab, so sind die Zunahmen bei Riesling, Weißem Burgunder und Gutedel ebenso erfreulich wie die rückläufigen Tendenzen bei Müller-Thurgau, Scheurebe, Morio-Muskat, Faber, Huxelrebe u. a. fragwürdigen Neuzüchtungen.
Ein weiterer Wandel letzter Zeit erfasst schließlich die Weine selbst und ihren Alkoholgehalt. Verglichen mit den Gewächsen der Sonnenländer sind deutsche Weine im Alkohol in der Regel leichter. Doch die Erkenntnis verbreitet sich, dass Alkohol allein keine Qualitätsfrage ist. Sicherlich erfordert der Riesling in seiner Balance zwischen Alkohol, Körper und Säure weniger Alkohol als etwa ein Chardonnay, und sicherlich ist diese Balance und damit der erforderliche Alkoholgehalt an der Mosel eine andere als im Rheingau oder an der Mittelhaardt. Ein Rotwein erfordert in der Regel hingegen mehr Alkohol – und Körper -, um sich ausgeglichen zu präsentieren. Als Folge dieser Einsicht haben viele Spitzengüter für sich die Eingangsmostgewichte für die jeweiligen Qualitätsstufen (Kabinett, Spätlese) mehr oder weniger deutlich über das gesetzliche Minimum angehoben, und manche verzichten sogar ganz auf den Kabinettwein – was nicht nur beim Rotwein sinnvoll wäre -, und nehmen statt dessen lieber eine maßvolle Chaptalisierung auf Werte um 11 % vol. vor, statt einen mitunter recht mageren Kabinettwein mit 9 % vol. Alkohol anzubieten. Auch die Erzeugung noch höherer Prädikate wie Auslese, Beerenauslese, Eiswein und Trockenbeerenauslese erscheint heute nicht mehr jedem Gut als erstrebenswert. Prestige lässt sich auch anders erreichen, auch wenn eine große Riesling-, Beeren- oder Trockenbeerenauslese auf ihre Weise einen einzigartigen, aber äußerst raren Wein darstellt.
Diesem Wandel entsprechen zweifellos Veränderungen in den Trinkgewohnheiten, und sie sind Ausdruck eines verstärkten Genusses deutscher Weine in Verbindung mit einem passenden Essen. So wichtig und begrüßenswert diese Entwicklung auch ist, bleibt der deutsche Wein darüber hinaus ein Wein, der durchaus nach dem Essen getrunken werden kann und dann angesichts seines moderaten Alkohols, seiner fruchtigen und oftmals komplexen und eleganten Struktur anderen alkoholischen Getränken deutlich überlegen ist.
Angesichts der nördlichen Lage mit seinem relativ kühlen Klima gedeihen Reben in Deutschland nur in besonders bevorzugten Lagen, meist Flusstälern, zumal in Südwestdeutschland sowie in kleinerem Umfang in Ostdeutschland auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Gerade der Rhein wirkt klimaregulierend, und sechs der dreizehn deutschen Weinbaugebiete liegen daher entlang des Rheins. Dem Flussverlauf folgend sind dies:
1. Baden, weitgestreut, vielgestaltig, mit Weinen sehr unterschiedlicher Qualität und zunehmender Bedeutung, auch wenn die Bereiche Kaiserstuhl und Ortenau jenseits der Landesgrenzen nach wie vor das größte Ansehen genießen;
2. Hessische Bergstra8e, nach Norden anschließendes drittkleinstes deutsches Anbaugebiet;
3. Pfalz, zweitgrößtes deutsches Anbaugebiet, dessen beste Weinbaugemeinden an der Mittelhaardt zwischen Kallstadt und Neustadt liegen, darunter Deidesheim, Forst, Ruppertsberg, Wachenheim, Ungstein u. a. Orte;
4. Rheinhessen, größtes Anbaugebiet, bekannt für seine hervorragende Rheinfront um Nierstein, gegenüber der die Weine des Hügellandes in der Regel sehr viel weniger Beachtung finden;
5. Rheingau, qualitativ das herausragendste Anbaugebiet am Rhein, nördlich des Rheins zwischen Hochheim und Lorch gelegen mit so berühmten Orten wie Rauenthal, Erbach, Hattenheim, Johannisberg, Rüdesheim u. a.
6. Mittelrhein, sehr romantisch, doch ohne Frage mit einigen Weinen, zumal Rieslingen, die durchaus Beachtung verdienen und zumeist aus Bacharach, Kaub, Oberwesel, Boppard u.a. Orten stammen.
Von den verbleibenden Gebieten liegen an fünf Nebenflüssen des Rheins:
1. Württemberg, dessen Weinbau sich um den Neckar konzentriert mit Weinen oftmals eigenen Charakters und über 55 % Rotweinanteil, dessen beste Qualitäten außerhalb des Gebiets wenig bekannt sind;
2. Franken, dessen Weine zumeist aus dem Maintal um Würzburg stammen und in den beliebten Bocksbeuteln abgefüllt sind;
3. Nahe mit vielfältigen Weinen und weitgehend unbekannten Spitzenqualitäten meist aus dem Raum zwischen Schlossböckelheim und Münster-Sarmsheim;
4. Mosel (ehemals Mosel-Saar-Ruwer), was den Wein angeht, wichtigster Nebenfluss (samt dessen Nebenflüssen) mit bedeutsamen, allein dem Rheingau qualitativ vergleichbaren Weinen insbesondere um Wiltingen (Scharzhofberg), an der Ruwer und Bernkastel;
5. Ahr, das kleine Rotweingebiet (80 % Rotweinanteil) unweit von Bonn, das sich in den letzten Jahren erfolgreich bemüht hat, den Ruf alleiniger minderer Touristenqualität abzuschütteln.
Bei den beiden verbleibenden Gebieten handelt es sich um das derzeit kaum 400 ha umfassende Weinbaugebiet Saale-Unstrut in Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie um das kleinste deutsche Weinbaugebiet Sachsen, im wesentlichen elbabwärts von Dresden um Radebeul und Meißen gelegen.
Da das deutsche Weingesetz dem Mostgewicht der Trauben mehr Beachtung schenkt als der unterschiedlichen Qualität der Böden, auf denen die Reben wachsen, ist die Vorstellung von der »Qualität im Glas« entstanden, d. h. der Einstufung von Weinen in die verschiedenen Qualitätsstufen allein nach
dem Eingangskriterium des Mostgewichts. Lediglich die Höhe der Oechslegrade – in Österreich, Italien u. a. Ländern kommen zumindest noch Säure-, Extrakt-, Asche- u. a. qualitätsbestimmende Werte hinzu – entscheidet, ob der Wein in die Kategorie QbA, Kabinett usw. einzuordnen ist. Die letzte Entscheidung fällt dann bei der Amtlichen Qualitätsweinprüfung, die alle als Qualitätsweine vorgesehenen Weine – verbunden mit dem Antrag auf Zuteilung der gewünschten Qualitätsstufe – durchlaufen müssen, bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen. Bei bestandener Prüfung enthält jeder Wein die auf dem Etikett anzugebende Amtliche Prüfnummer. Statt sich mit diesen Prüfungsämtern und anderen staatlichen Behörden auseinandersetzen zu müssen, zieht es heute eine wachsende, wenn auch noch kleine Zahl von Erzeugern, ähnlich der Entwicklung in Italien, vor, besonders hochrangige, mitunter im Barrique ausgebaute Weine schlicht als Tafelweine in den Handel zu bringen, was ein bezeichnendes Licht auf die Frage der Qualitätsorientienheit eines Weingesetzes wirft.
Auf dem Etikett erscheint neben der Prüfnummer (bei allen Qualitätsweinen) der Hinweis auf die Qualitätsstufe (ansonsten sind es Tafel- oder Landweine), bei nahezu allen besseren Weinen das Jahr, die Rebsorte und eine geographische Herkunftsangabe, d. h. neben dem Anbaugebiet meist eine Lagenbezeichnung. Bei diesen ist es jedoch nur dem Kenner möglich, zwischen Groß- und Einzellage zu unterscheiden, d. h. die Bedeutung der Angabe zu ermessen (weshalb einige Erzeuger ganz auf sie verzichten). Lediglich in vier Fällen steht bei diesen Herkunftsangaben allein der Lagenname (ohne Ortsangabe), da der Lagenname zugleich als Orts- bzw. Ortsteilname gilt. Diese vier grands crus sind,: Schloss Johannisberger, Schloss Vollrads, Steinberger, Scharzhofberger. Ferner mag noch eine Geschmacksrichtung angegeben sein, wobei in der Praxis Einstufungen wie trocken oder halbtrocken genannt werden. Findet sich keine Angabe, dürfte es sich in der Mehrzahl der Fälle um eine liebliche oder süße Abfüllung handeln. Schließlich müssen noch Erzeuger oder Abfüller genannt werden, wobei der Weintrinker in der Regel in Deutschland der Erzeugerabfüllung den Vorzug geben wird.