Bordeaux
Bordeaux; Hafenstadt an der Garonne und bedeutendste Stadt in Südwestfrankreich, dessen Agglomeration rund 650 000 Einwohner zählt. Einige Kilometer nördlich von Bordeaux vereinigen sich Garonne und Dordogne zur Gironde, nach der das umliegende Département mit der Hauptstadt Bordeaux benannt ist und das das gesamte Weinbaugebiet Bordeaux umfasst. Rund 100 000 ha Rebfläche weist dieses größte französische Qualitätsweinbaugebiet auf, mehr als die gesamte Bundesrepublik. Im Schnitt werden heute etwa 6 Mill. hl Wein erzeugt, was nahezu einem Viertel der gesamten französischen A.O.C.-Erzeugung entspricht. Während bis 1969 mehrheitlich Weißweine aus Bordeaux kamen, ist ihr Anteil inzwischen zugunsten der Rotweine auf gut 20 % zurückgegangen. Sämtliche auf den Qualitätsweinflächen der Gironde erzeugten Weine dürfen als Bordeaux AC in den Handel gebracht werden, vorausgesetzt, sie stammen aus den dafür vorgesehenen Rebsorten (Cabernet Sauvignon, Cabernet franc, Merlot, Malbec, Petit Verdot und Carmenère für die Rotweine, Sémillon, Sauvignon und Muscadelle für die Weißweine), deren Trauben bei der Lese einen potentiellen Alkoholgehalt von mindestens 10 % vol. aufgewiesen haben, und sie sind unter Berücksichtigung der übrigen gesetzlichen Bestimmungen erzeugt worden. Tatsächlich kommen daher nur jene Weine unter dieser Passepartout-Bezeichnung in den Handel, für die es keine enger gefasste Bezeichnung gibt bzw. die die dafür erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen nicht erfüllt haben. In der Tat umfasst das gesamte Bordeaux-Gebiet, getrennt nach Rot- und Weißweinen über 50 verschiedene Appellationen, die es deutlich auseinanderzuhalten gilt, will man die Orientierung nicht verlieren.
Unter dem Gesichtspunkt der Qualität ist die erste grobe Einteilung jene in linkes und rechtes Ufer, und obwohl dies zunächst kein unterschiedliches Qualitätsniveau bezeichnet, ist es für viele eine Frage der Weltanschauung. Mit dem linken Ufer meint man das linke Ufer von Garonne und Gironde und die Regionen Médoc, Graves und Sauternes, drei der renommiertesten Bereiche für Rotwein (Médoc), Rot- und trockene Weißweine (Graves) und süße Weißweine (Sauternes). Sie alle sind unterteilt in Gemeindeappellationen wie Pauillac, Margaux, Pessac-Léognan, Barsac u. a., die nicht nur das Herkunftsgebiet eingrenzen, sondern auch gegenüber dem weitergefassten Bereich höhere Anforderungen an Mindestalkoholgehalt und Hektarerträge stellen (der zulässige Grundertrag, der rendement de base, schwankt je nach Appellation und Rot- und Weißwein zwischen 40 und 65 hl/ha bzw. zwischen 25 und 40 hl/ha für die süßen Weißweine, Ertrag). Neben diesen gibt es weniger prestigereiche Randzonen wie etwa die eigentliche Appellation contrôlée Médoc im äußersten Norden oder Cérons im Süden.
Im Gegensatz dazu bezeichnet man mit rechtem Ufer das rechte Ufer der Dordogne und meint damit das Libournais, also die Bereiche von Saint-Emilion, Pomerol und Fronsac. Hier wird ausschließlich Rotwein erzeugt, und alle drei Appellationen sind Gemeindeappellationen – eine übergreifende Bereichsappellation fehlt -, jedoch haben die Randzonen eigene Appellationen wie Lalande-de-Pomerol und die vier Satellitengemeinden von Saint-Emilion. Eine Ausnahme stellt Fronsac dar, das über eine engere Appellation für die besten Provenienzen an den Dordogneabhängen verfügt, Canon-Fronsac.
Alle übrigen Bereiche des Bordeaux-Gebietes verfügen über kein den genannten Bereichen des linken wie rechten Ufers vergleichbares Ansehen. Im wesentlichen sind dies die Randzonen im Norden, Bourg, Blaye und Castillon (Bordeaux-Côtes de Castillon), in denen viel Rotwein erzeugt wird und von denen einige Gegenden, wie der Cubzaguais über gar keine engere Appellation verfügen sowie der große Bereich zwischen Garonne und Dordogne, dessen bekannteste Appellation Entre-deux-Mers ist, die jedoch lediglich für Weißweine gilt, obgleich hier ebenfalls viel Rotwein erzeugt wird. Diese besitzen lediglich an den sog. Côtes de Bordeaux (mit den Premiéres Côtes de Bordeaux) eine eigene Appellation, während es eine Fülle weiterer Appellationen für Weißweine, Weiß- und Rotweine bzw. süße Weißweine gibt.
Was immer die Bedeutung der auf dem Etikett angegebenen Appellation ist, entscheidend ist hier wie in allen anderen Füllen der Erzeuger oder Abfüller. Im wesentlichen kommen heute drei Gattungen von Bordeaux-Wein in den Handel, der Markenwein als Verschnitt unterschiedlicher Provenienzen, der in der Regel unter einer weitgefassten Appellation angeboten wird, wie der bekannteste und verbreitetste von allen, der Mouton-Cadet als Bordeaux AC. Ferner gibt es den Typenwein, der als Saint-Julien AC, Saint-Emilion AC u. a, auf den Markt kommt, und schließlich den Château-Wein, der von einem genau bestimmten Gut kommt – und meist auch dort abgefüllt ist, was durch den Aufdruck Mis en bouteille au château ausgewiesen ist -, wobei die jeweils gültige Appellation und ihre Angabe den gesetzlich vorgegebenen Rahmen benennt, ohne damit konkret etwas über die tatsächliche Qualität des Weines auszusagen. Diese mag durch eine Klassifizierung, durch die Angabe cru bourgeois, grand cru classé o. ä. angedeutet sein. Doch entsprechen derartige Hinweise nicht immer dem aktuellen Qualitätsniveau, und lediglich im Médoc, den Graves, Sauternes und Saint-Emilion gibt es überhaupt Klassifizierungen, die wiederum von Gebiet zu Gebiet sehr unterschiedlich und kaum miteinander vergleichbar sind.
Das alles sieht zunächst sehr verwirrend aus. Doch wenn man näher in die einzelnen Bereiche und Appellationen eindringt, werden die inneren Strukturen deutlicher, und es wird damit leichter, jene Weine zu finden, nach denen man sucht. Insgesamt hat dabei das Bordeaux-Gebiet im Gegensatz zu vielen anderen Weinbaugebieten innerhalb wie außerhalb Frankreichs den Vorzug, dass selbst auf der untersten Qualitätsstufe die Weine in der Regel angenehm und ansprechend und heute meist immer noch sehr preiswert sind. Auf einem mittleren Niveau gibt es kaum ein zweites bedeutendes Weinbaugebiet, in dem man auf ein günstigeres Preis-Qualitäts-Verhältnis trifft, während die Spitzenweine des linken wie rechten Ufers zu den größten Weinen der Welt zählen und als unübertroffen gelten.