Graves
Graves; Langgezogener Bereich auf dem linken Garonne-Ufer von oberhalb Langon im Süden bis über Bordeaux hinaus im Norden, wo er nach dem Gesetz am Jalle de Blanquefort an den Médoc grenzt. Rund 3200 ha sind mit Reben bestockt, die sich ungleichmäßig verteilen und oft lediglich als die Reste eines noch vor 100 Jahren wesentlich ausgedehnteren Weinbaus zwischen Wald und der sich ständig ausweitenden Urbanisierungszone, zumal im weiteren Umkreis von Bordeaux, fortbestehen. Etwa ein Viertel des Gebiets befindet sich nördlich des Saucats und führt heute die Gemeindeappellation Pessac-Léognan. Ungefähr drei Viertel bilden die südlichen Graves mit den zusätzlichen Appellationen Cérons, Sauternes und Barsac. Während die Weine von Cérons auch als Graves bezeichnet werden dürfen, ist das Sauternais mit Sauternes und Barsac ein eigenständiges Gebiet mit grundsätzlich andersartigen Weinen.
Insgesamt werden heute zu rund 60 % Rotweine und zu 40 % Weißweine erzeugt. Doch die dabei zutage tretenden Unterschiede zwischen nördlichen und südlichen Graves sind schwerwiegend. Während in Pessac-Léognan ganz überwiegend Rotwein sowie eine Reihe vielfach hervorragender und z. T. großer trockener Weißweine erzeugt wird, deren Preise jenen vergleichbarer Spitzengewächse des Médoc ähneln, erreichen im Süden die Weine weder vergleichbare Bedeutung noch Preise. Der Rotwein ist angenehm und bestenfalls ausgezeichnet selten mehr, und gleiches gilt für die deutlich starker vertretenen Weißweine, von denen einige lieblich (moelleux) sind. Sie kommen unter der Appellation Cérons oder als Graves supérieures (mindestens 12 % vol. natürlichen Alkohol) in den Handel. Letztere können auch trocken sein, werden dann jedoch meist als Graves AC deklariert (maximal 13 % vol. tatsächlichen Alkohol).
Obwohl der Bordeaux-Wein historisch seinen Ursprung im Umland von Bordeaux im Gebiet der heutigen Graves hat, wurde 1855 lediglich ein einziges Gut offiziell klassifiziert, und zwar Château Haut-Brion, der alte und unbestrittene grand seigneur der Graves, dessen Rotwein als premier cru classé auf eine Stufe mit Châteaux Lafite, Latour und Margaux gesetzt wurde. Erst 1959 ist eine offizielle Klassifizierung der wichtigsten Graves-Weingüter, getrennt nach Rot- und Weißwein eingeführt worden, die jedoch ausschließlich Güter der nördlichen Graves, also der heutigen Appellation Pessac-Léognan aufführt. Es sind dies folgende Güter (in alphabetischer Ordnung, siehe Tabelle):
Nicht alle diese Güter haben in den letzten Jahren qualitativ stets diesem Rang entsprochen. Zumindest Château La Louviére fehlt in beiden Aufstellungen. Heute würde man zusätzlich Châteaux Haut-Gardére und Larrivet-Haut-Brion aufführen müssen, aber auch die Châteaux Rochemorin, de Cruzeau, de France, Haut-Bergey, Pontac-Montplaisir, Baret u. a. verdienen zunehmende Beachtung. Sie alle liegen in den nördlichen Graves, während die führenden Güter der südlichen Graves wie Châteaux Magence, Ferrande, de Chantegrive, de Portets, Roquetaillade, Piron, Domaine de Gaillat u. a. es schwer haben, sich diesen Weinen gegenüber auf einem größeren Markt durchzusetzen.
Das Fehlen einer Norden wie Süden umgreifenden Kategorie von bourgeois-Gewächsen trägt ebenso zu dieser Situation bei wie die Art des Weinausbaus. Selbst bei klassifizierten Gütern war es in den 1970er Jahren von rühmlichen Ausnahmen abgesehen üblich, Weißweine nur noch in Stahltanks auszubauen. Das Ergebnis war, dass der einst hochgerühmte trockene weiße Graves, von Haut-Brion, Laville und Chevalier abgesehen, praktisch zur Legende geworden war. Inzwischen hat man aus den Fehlern gelernt und der Barrique wieder ihren unersetzlichen Platz zumindest für den Weinausbau, vielfach auch für die Vergärung mehr und mehr zurückgegeben. Seither erlebt der weiße Graves eine großartige Renaissance. Auch wenn er auf breiterer Basis vielleicht noch nicht mit den herausragenden weißen Burgundern auf eine Stufe zu stellen ist, wird der derzeitige Qualitätsanstieg zu weitergehenden Erwartungen Anlass geben können.
Die Bewegungen beim Rotwein erscheinen derzeit nicht vergleichsweise spektakulär. Doch dass sich hier bei vielen Gütern in den letzten Jahren viel getan hat und die Entwicklung bei vielen klassifizierten und anderen Gütern nach oben zeigt, ist unverkennbar. Berechtigt ist es allemal, denn der rote Graves ist ein Wein eigener Art. Von seinem Rebsortenverhältnis dem Médoc durchaus ähnlich, erreichen seine Weine nicht dessen Kernigkeit und verfügen selbst in ihrer Jugend in der Regel über kein vergleichbares markantes Tanningerüst. Wenn sie weicher sind, so doch wiederum nicht in der geschmeidigen Art eines Saint-Emilion oder Pomerol, sondern in der Verbindung von Statur und Rückgrat mit Eleganz und insbesondere Finesse. Es ist diese komplexe und finessenreiche Art, die die bemerkenswerten roten Graves von vergleichbaren Weinen anderer Bordeaux-Bereiche unterscheidet und die ihren unnachahmlichen Höhepunkt im roten Haut-Brion findet und diesen Weinen ihre unverwechselbare Persönlichkeit unter den roten Spitzenweinen Bordeaux‘ verleiht.
Weingut Gemeinde
Crus classés en rouge
Château Bouscaut Cadaujac
Château Carbonnieux Léognan
Domaine de Chevalier Léognan
Château Fieuzal Léognan
Château Haut-Bailly Pessac
Château Haut-Brion Léognan
Château Malartic-Lagravière Léognan
Château La Mission Haut-Brion Talence
Château Olivier Léognan
Château Pape-Clément Pessac
Château Smith-Haut-Lafitte Martillac
Château La Tour Haut-Brion Talence
Château La Tour-Martillac Martillac
Crus classés en blanc
Château Bouscaut Cadaujac
Château Carbonnieux Léognan
Domaine de Chevalier Léognan
Château Couhins Villenave-d’Ornon
Château Couhins-Lunon Villenave-d’Ornon
Château Laville-Haut-Brion Talence
Château Malartic-Lagraviére Léognan
Château Olivier Léognan
Château La Tour-Martillac Martillac