Tessin
Tessin; (Ticino) Südschweizer Kanton, der in den vergangenen 100 Jahren wohl den spektakulärsten Rückgang und anschließenden Aufschwung des Weinbaus von allen Schweizer Kantonen erlebte. Von den knapp 7500 ha des Jahres 1876 waren um die Jahrtausendwende noch ganze 891 ha übriggeblieben, wobei seit Beginn der achtziger Jahre eine Stabilisierung und anschließend eine 20%ige Zunahme der Ertragsrebfläche zu verzeichnen ist, so dass im Jahr 2017 bereits wieder rund 1100 ha unter Reben standen. Ob der weitere Aufwärtstrend anhalten kann, bleibt abzuwarten, denn einige der Ursachen für den Verfall bestehen weiter:
Strukturschwäche (die durchschnittliche Rebfläche pro Winzer beträgt weniger als 10 ar) mangels fehlender Rebbautradition größeren Stils (Wein wird hier zwar seit Jahrtausenden erzeugt, doch nahezu stets nur zur Eigenversorgung und daher meist in der Form der bäuerlichen Mischkultur), hohe Kosten, Urbanisierung und Straßenbau, Billigimporte aus Italien u.a. So ist der Nostrano auch heute noch der Wein, der praktisch nicht in den Handel kommt (wenn, als Colli del Ticino), sondern nahezu ausschließlich der Eigenversorgung dient. Mit dem Merlot und seiner konsequenten Förderung (ausgedrückt nicht zuletzt in dem Gütesiegel VITI) verbindet sich die Hoffnung eines langfristigen Wiederaufstiegs des Tessiner Weinbaus.
Heute nimmt der Merlot fast 80 % der Tessiner Rebfläche ein, und die aus ihm erzeugten Rotweine gehören in guten Jahren zu den besten der Schweiz, von denen einige, darunter der bemerkenswerte Vinattieri, in Zukunft durchaus Aufsehen erregen könnten – zumal wenn ihnen noch eine überzeugendere Balance zwischen Körper und Holz gelingt. Auf den Nostrano (aus Bondola u.a. Sorten) entfallen kaum noch 6 % der Gesamterzeugung, während der Americano (Hybriden), der jedoch zur Weinerzeugung nicht mehr verwandt wird (für Tafeltrauben und Traubensaft), nur noch knapp 4 % erreicht.
5 % der Rebfläche sind mit weißen Sorten bestockt. Nach dem Monte Ceneri unterteilt man in die beiden Hauptweinbaugebiete Sottoceneri (mit den Luganese und Mendrisiotto als dem größten Tessiner Weinbaubereich überhaupt) und Sopraceneri (das nördliche Tessin mit dem Schwerpunkt Locarno-Bellinzona).