Kalifornien
Kalifornien Vielen Menschen ist es selbstverständlich, von Kalifornien nur in Superlativen zu reden: Von allen Staaten der Vereinigten Staaten ist es der bevölkerungsreichste Staat, der reichste Staat, der schönste Staat, und was sonst noch alles an Elogen kursiert. Die meisten mögen durchaus zutreffen, eine aber ganz gewiss: Kalifornien ist der mit Abstand bedeutendste Weinbaustaat in den Vereinigten Staaten: Nahezu 133 000 ha stehen im Ertrag und ergeben im Durchschnitt der Jahre um die 15 Mill. hl, was gut 90 % der gesamten amerikanischen Weinernte entspricht.
Kalifornien ist damit heute nach Italien, Frankreich, Spanien, Argentinien, Portugal u. a. eines der größten Weinbauländer der Erde.
Der Weinbau wurde in Kalifornien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Franziskanermönche eingeführt, doch gilt der in den 1850er und 1860er Jahren (inzwischen war Kalifornien Bundesstaat der Vereinigten Staaten geworden) tätige gebürtige Ungar Agoston Haraszthy als der eigentliche Vater des kalifornischen Weinbaus. Erst nach der Prohibition in den Vereinigten Staaten (1919 – 1933) konnte an diese Entwicklung angeknüpft werden. Während in den dreißiger und vierziger Jahren vorrangig billige Massenware (meist gespritet) erzeugt wurde, hat der kalifornische Weinbau seit den sechziger Jahren und insbesondere seit etwa 1970
einen kolossalen Aufschwung erfahren, dessen Ende noch längst nicht abzusehen ist. Heute werden in 42 der 58 kalifornischen Counties Reben angepflanzt, und der Weinbau ist inzwischen der drittwichtigste landwirtschaftliche Produktionszweig des Staates. 1978 gab es um die 300 Weingüter in Kalifornien, 1982 waren es bereits über 400, rund zehn Jahre später waren es etwa 800.
Heute wird Kalifornien in fünf Weinbaugebiete unterteilt: die North Coast, die bekannteste und qualitativ bedeutendste Region nördlich von San Francisco, die Central Coast zwischen San Francisco und Los Angeles, die South Coast östlich von Los Angeles und nördlich von San Diego, das Central Valley mit nahezu 75 % der kalifornischen Rebfläche und das kaum 1000 ha umfassende Gebiet der Sierra Foothills östlich von Sacramento. Jedes dieser Hauptanbaugebiete ist nach seinen Verwaltungsgebieten, den counties, weiter unterteilt, wie Sonoma, Mendocino, Monterey u. a. Zusätzlich gibt es gegenwärtig etwa 50 American Vinicultural Areas (AVA), d. h. engere Ursprungsbezeichnung aufgrund von klimatischen u. a. Gegebenheiten, als bedeutendste darunter das Napa Valley.
Wurden früher eher Artenweine (Burgunder, Chablis, Moselle, Sauternes u. a.), qualitativ meist belanglose Weine erzeugt, so strebt heute der kalifornische Spitzenweinbau nach höchster Qualität. Heute sind 54 % mit weißen und 46 % mit roten Sorten bestockt, und die verbreitetsten Rebsorten sind heute Chardonnay (24 300 ha), Colombard (22 700 ha), Cabernet Sauvignon (gut 14 000 ha), Zinfandel (13 800 ha), Chenin blanc (12 500 ha) und auf weniger als 6000 ha kommen Sauvignon blanc, Grenache, Barbera, Pinot noir, Merlot u. a.
Besonders seit jenen sensationell aufgemachten großen Vergleichsproben in den siebzigerJahren in Paris, als etliche, in Europa bis dahin kaum dem Namen nach bekannte kalifornische Cabernet- und Chardonnay-Weine die namhaftesten Gewächse aus Bordeaux und Burgund auf die Plätze verwiesen, sind kalifornische Weine in Europa, wie man heute sagt, „in“. Aus mangelnder Kenntnis folgte die Enttäuschung bald ach. Denn der durchschnittliche kalifornische Wein ist in unseren Tagen sicherlich gut, aber oft, bedingt durch das meist heiße Klima, schwer, mitunter breit, gar plump und unstrukturiert, qualitativ einem petit château aus Bordeaux, einem ordentlichen Qualitätswein aus Südfrankreich oder Italien meist unterlegen. Ganz anders hingegen die, auch in Kalifornien nicht den Alltag bestimmenden, wenigen Spitzengewächse: Meist höher im Alkohol als französische Weine (13 – 14,5 % vol.) können sie von bemerkenswertem Charakter sein, auch wenn sie robuster sind, fehlt es ihnen nicht an Struktur, doch gibt es inzwischen einige, die eine ganz und gar ungewöhnliche finessenreiche Eleganz aufweisen. Bei ihnen handelt es sich zweifellos um höchst bemerkenswerte, mitunter große Weine, die in der Tat den Vergleich mit dem europäischen Weinhochadel nicht zu scheuen brauchen.
Die besten Weine kommen in der Regel aus den kühleren Zonen der sog. Bay area San Franciscos, allen voran aus dem Napa Valley, aus Sonoma County und aus Mendocino. Aber auch Monterey County, San Luis Opispo County, Santa Barbara County, Santa Clara County, Santa Cruz County u. a. verdienen durchaus Beachtung.
Was hingegen die kalifornischen Schaum- und Likörweine angeht, so können diese zwar hervorragend sein, doch scheint ihnen gegenwärtig noch etwas von dem Format der europäischen Spitzenerzeugnisse auf diesen Gebieten zu fehlen. Warten wir ab, was die Zukunft noch alles bringen wird.