Kleine Gläserkunde

Wie viele Weingläser braucht der Mensch?

Über Weingläser wurden bereits ganze Essays und Studien verfasst und es scheint vor allem dem Neueinsteiger ein undurchschaubares Dickicht an Tulpen, Flöten, Kelchen und Schalen zu geben, die dem Wein seine besondere Charakteristik geben sollen. Das gekonnte Schwenken sieht beeindruckend aus und manch einen beschleicht das Gefühl, dass hier auch ein wenig Magie unter Kennern zelebriert wird.

Tipp: Belasten Sie gerade zu Beginn sich und Ihre Geschmacksnerven nicht mit allzu vielen verschiedenen Gläsern. Sie möchten ja auch die Unterschiede im Wein erschmecken lernen, da sind gleiche Voraussetzungen (ergo wenige Gläser) keine schlechte Idee.

Sicherlich weichen auch hier die strengen Regeln in den vergangenen Jahren auf, es ist erlaubt, was schmeckt. Gleichwohl haben sich die Formen für Weingläser und auch für andere alkoholische Getränke nicht ohne Grund entwickelt und liegen gewisse unveränderliche, physikalische Bedingungen zugrunde. Da Wein nachweislich mit der Umgebungsluft reagiert, beeinflusst die Glasform diesen Prozess und verändert den Geschmack des jeweiligen Weines. Ein harmonisches Zusammenspiel von Glasvolumen, Oberfläche, Kamin und Öffnung sowie Wandstärke und Stiellänge ergeben die perfekte Form.
Wir möchten einen Überblick über die wichtigsten Formen, Grundsätze und Begriffe geben, damit Sie für Ihre nächste Flasche Wein mit ein bisschen Knowhow in den Gläserschrank greifen können. Als Einsteiger sind Sie mit je zwei Rotwein- und Weißweingläsern sowie einem Schaumweinglas schon sehr gut ausgestattet; möchten Sie tiefer in das Thema einsteigen, sind vier bis sechs Glassorten je Weinsorte denkbar.

Formen Weingläser Rotweingläser Weißweingläser - Vino Culinario
Verschiedene Glasformen für verschiedene Weintypen – eine Übersicht

Faustregeln für Weingläser

Die wichtigste Grundregel lautet sicherlich: Rotweingläser sind größer und haben einen größeren Bauch, Weißweingläser sind kleiner und schlanker. Dies resultiert aus den unterschiedlichen Herstellungsmethoden der Weinsorten und Reaktionen der Inhaltsstoffe auf die Umgebungsluft. Ein kräftiger Rotwein aus dem Bordeaux benötigt mehr Volumen, um seine Aromen besser entfalten zu können, ein Riesling möchte gern kompakter bleiben. Ein sehr kräftiger, im Barrique ausgebauter Chardonnay verträgt aber durchaus auch ein kleineres Rotweinglas.

  • je kräftiger der Wein, desto größer sollte das Volumen und desto höher der Kamin des Glases sein
  • ein leichter Wein kann in einem breiten, bauchigen Glas seine Aromen durch höheren Sauerstoffkontakt intensivieren
  • je flüchtiger die Aromen, z.B. bei blumigen und fruchtigen Weinen, desto schmaler sollte die Öffnung sein
  • eine kleinere Öffnung verdichtet die Duftnoten und führt sie zur Nase

Regeln zum Konsum: Füllen Sie das Glas höchstens bis zur Hälfte, da oberhalb der Oberfläche im Hohlraum des Glases das Bouquet entsteht. Greifen Sie das Glas am Stiel, um zu verhindern, dass die Wärme der Hand die Temperatur des Weines verändert.

Glasformen und Herstellungsmethoden

Glasaufbau Struktur Weinglas - Vino Culinario
Typischer Aufbau einer klassischen Weinglasform

Die meisten Gläser (außer stiellosen Tumblern) haben die klassische Form Fuß – Stiel – Kelch (oder Kuppa) – Kamin – Glasrand. Die meisten dieser Bezeichnungen erklären sich von selbst, der Kamin bezeichnet den oberen Bereich des Glases, welcher meist oberhalb der Weinoberfläche liegt, für den Aufstieg der Aromen aber sehr relevant ist. Ein gutes Weinglas ermöglicht eine optimale Aromaentfaltung, führt die Duftnoten perfekt zur Nase und lässt den Wein an den Stellen auf die Zunge treffen, die optimal zum Erfahren der Grundgeschmäcker süß, sauer, salzig und bitter, sowie der speziellen Aromen, Tannine und Mineralität des Weines sind. Temperatur und Viskosität werden optimal übermittelt.

Zum Material: Natürlich sind mundgeblasene und handgearbeitete Gläser das Nonplusultra, da sie dünnwandig, elegant in Form und Struktur und angenehm in Klang und Haptik sind. In Blindverkostungen schneiden sie zudem meist besser ab als ihre maschinell gefertigten Gegenstücke. Aber auch hochwertige industriell gefertigte Gläser können heutzutage beste Qualität zu deutlich erschwinglicheren Preisen erreichen. Billige Industriegläser erkennt man meist an ihrem größeren Gewicht, resultierend aus dickerer Wandstärke sowie der Längsnaht, die durch die Herstellung entsteht und häufig noch an Stiel und Fuß zu erkennen ist.

Welches Glas für welchen Wein?

Für eine gute Erstausstattung sind je zwei Sorten Gläser für Rot- und Weißwein völlig ausreichend. Mit dem Wissen aus diesem Artikel greifen Sie künftig auch zur richtigen Sorte. Ein paar Anhaltspunkte seien hier dennoch gegeben:

Burgunderglas: Das bauchigste Glas in Ihrem Schrank (leicht zu merken: „Burgund ist rund„), geeignet für feine Rotweine mit fruchtigem Aroma sowie kräftige, im Barrique ausgebaute Weißweine. Die Form des Glases ist groß und bauchig, die Öffnung wird oben schmaler, um die leichten Aromen besser zu halten.
Geeignete Rebsorten: Spätburgunder, Lemberger, Barbera, Pinot noir, Gamay | Kräftiger Chardonnay, im Holzfass gelagerter Riesling

Bordeauxglas: Ein hohes, voluminöses Glas mit langgezogenem Kamin und viel Platz für kräftige, tanninbetonte Rotweine, die Öffnung ist vergleichsweise größer als beim Burgunderglas, da hier die Aromen mit mehr Sauerstoff in Berührung kommen sollen.
Geeignete Rebsorten: Cabernet Sauvignon und Franc, Nebbiolo, Médoc, Primitivo, Syrah, Tempranillo, Zinfandel

Chardonnayglas: Wie ein kleineres Burgunderglas, bauchig und mit verjüngter Öffnung. Die breite Grundfläche ermöglicht kräftigen und körperreichen Weißweinsorten, in ihren Holznoten gemildert und rund wirken zu können. Zu kühle Weine werden sanft temperiert.
Geeignete Rebsorten: Chardonnay, Chenin blanc, Grauburgunder, Gutedel, Sauvignon blanc, Silvaner

Moussierpunkt, Sektperlen im Champagner - Vino Culinario
Steigen die Perlen wie an einer Schnur aufgereiht mittig im Glas empor, liegt dies am sog. „Moussierpunkt“ unten im Glas, einer kleinen Wölbung, die eine optimale Perlage ermöglicht.

Rieslingglas: Schmales und kleineres Weinglas für aromatische und leichte Weißweine, deren Duftnoten im schmalen Kamin sorgsam gehütet werden und deren Geschmack sich im kompakteren Kelch länger hält. Gut geeignet für Weine mit rassigen Säuren und hoher Mineralität.
Geeignete Rebsorten: Grüner Veltliner, Riesling, Traminer

Champagnerglas: Natürlich auch für Sekt geeignet. In der Form an eine klassische Sektflöte erinnernd, aber breiter als diese; mit einer flachen Basis und schmalem Kamin, der sich oben öffnet, um die Aromen der Kohlensäure entfalten zu lassen. Unten in der Mitte sorgt ein sog. „Moussierpunkt“ für ein feines Spiel der Kohlesäureperlen, die sog. „Perlage“, also Perlenschnur. Breite Champagnerschalen hingegen lassen die Kohlensäure schnell entweichen und sind daher nur bedingt empfehlenswert.

Berühmte Gläser

Neben den gängigen Glasformen gibt es noch eine Reihe weiterer Gläser für verschiedenste Anlässe und Getränke. Von Pernod über Sherry bis hin zu Grappa und Portwein erfreuen sich spezifische Glasformen großer Beliebtheit.
Daneben finden sich regionale Weingläser wie das bekannte Römerglas mit grünem, gedrungenen Stiel, das „Viertele“, aus dem die Württemberger gerne ihren 0,25 l Trollinger „schlotze“, das Pfälzer „Dubbeglas“ für einen Schoppen Weinschorle (Dubbe sind Tupfen oder Dellen, die das Glas typischerweise aufweist), das Frankfurter Gerippte (klassischerweise für Apfelwein) oder die Mainzer Stange mit 0,4 Liter Fassungsvermügen. Ein Schoppen ist übrigens genauso eine Bezeichnung für eine gewisse Menge Wein (verschiedene, in der Pfalz z.B. 0,5 Liter) wie das rheinhessische „Piffche“ (0,1 Liter).
Eines der bekanntesten Verkostungsgläser für Sommeliers ist „L’impitoyable“. Dieses kleine, spitz zulaufende Glas mit schmaler Öffnung lässt keine Aromanote, aber auch keinen Fehler entkommen und heißt zu Recht auf Deutsch „Das Unbestechliche„.

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Weinflaschen - Vino Culinario

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